Thursday, March 15, 2007

Ecuador: "Tod den Ratten!"

SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2007
Seit seiner Amtseinführung am 15.Januar hat sich Ecuadors Präsident Rafael Correa an die Durchführung seiner Pläne zur Veränderung der Gesellschaft gemacht.
Um die Umweltverschmutzung einzudämmen, erklärte Correa am 3.Februar, dass Ecuador die Verträge von Ölgesellschaften, die unnötigerweise die Umwelt schädigen, annullieren wird. Correa hat die Absicht, Verträge mit Ölgesellschaften neu auszuhandeln, um der Regierung einen größeren Anteil am Gewinn zu sichern, um soziale Ausgaben finanzieren zu können.


Zu den dafür in Frage kommenden Gesellschaften gehört Brasiliens Unternehmen Petrobras, das die Rechte zur Ausbeutung von Ölblock 31 besitzt, der in einer der biologisch vielfältigsten Regionen der Welt liegt. Eine weitere Zielscheibe des Zorns der Regierung ist eine von Ascendant Copper in Junín geplante Mine. Die Stellungnahme des Unternehmens über die Folgen für die Umwelt war Ende 2006 zurückgewiesen worden und die Gesellschaft wird auch beschuldigt, paramilitärische Gruppen zur Einschüchterung von lokalen Gegnern der Mine zu benutzen.


Am 5.Februar kündigte Ecuador an, wegen des Versprühens von Glyphosat nahe der Grenze und über Teile Ecuadors Kolumbien vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen. Wegen dieser Angelegenheit hatte Ecuador im Dezember seinen Botschafter vorübergehend aus Kolumbien abgezogen. Die Sprühaktionen sind Teil des von den USA geförderten "Kriegs gegen die Drogen" und sollen Kokapflanzen töten, die die Quelle für das Rohmaterial des Kokains bilden. Doch sie führen auch zu massiven Umweltschäden, Geburtsfehlern und die Vergiftung des Grundwassers.


Der am 31.Januar von der Regierung vorgelegte neue Haushalt versprach eine Reduzierung der Zahlung der Auslandsschulden um 1 Milliarde US-Dollar und wiederholte die Absicht der Regierung, einen großen Teil der Schulden neu auszuhandeln. Die Regierung skizzierte auch einen Plan zur Reform des Steuersystems, der die Mehrwertsteuer von 12% auf 10% senken soll, während die Unternehmensteuern erhöht werden sollen. Am 1.Februar verkündete Correa die Verdoppelung der Sozialleistungen an über eine Million der Ärmsten und Bedürftigsten, darunter kranke und alleinerziehende Mütter.


Correa hat jedoch bereits einige Rückschläge erlitten. Bananenpflanzer haben gegen seine Wahl des Landwirtschaftsministers, Carlos Vallejo — ein früherer Verbündeter von Álvaro Noboa, Correas Rivalen bei der letztjährigen Präsidentschaftswahl —, protestiert. Noboa ist der reichste Mann Ecuadors und Besitzer zahlreicher Bananenpflanzungen. Er wird beschuldigt, Kinder zu beschäftigen und Streiks gewaltsam zu brechen. Ein weiterer Verbündeter von Noboa, Francisco Cucalón, der kürzlich zum Generalstaatsanwalt ernannt wurde, trat am 31.Januar zurück, nachdem Correa und andere protestiert hatten, dass seine Ernennung nicht verfassungskonform war. 


Ein weiterer Rückschlag für Correa war der Tod von Guadalupe Larriva am 24.Januar, nach nur neun Tagen im Amt. Larriva war die erste Verteidigungsministerin in der Geschichte Ecuadors. Sie starb beim Zusammenstoß zweier Hubschrauber in der Nähe der Manta-Flugbasis. Sie war eine ehemalige Vorsitzende der Sozialistischen Partei Ecuadors und stand an der Spitze der Lehrergewerkschaft. Sie hatte Pläne zur Reform der Streitkräfte, darunter Solderhöhungen für die Soldaten der unteren Ränge.

Eine von der Regierung initiierte unabhängige Untersuchung fand keine Verdachtsmomente an ihrem Tod. Dennoch ersetzte Correa den Chef der Armee.


Er berief eine weitere Frau, Lorena Escudero, an die Spitze des Verteidigungsministeriums. Seit seinem Machtantritt hat Correa auch drei Polizeichefs ersetzt, zuletzt am 27.Januar, im Rahmen des Versuchs, eine Institution zu reformieren, in der die Korruption grassiert.


Der wichtigste Teil von Correas Reformprogramm, die Einberufung einer Konstituierenden Versammlung zur Neufassung der Verfassung, ähnlich vergleichbaren Bemühungen in Bolivien und Venezuela, hat die Bühne bereitet für einen größeren Showdown mit den politischen Kräften, die traditionell in Ecuador vorherrschen. Die Konstituierende Versammlung, die von bis zu 75% der Bevölkerung unterstützt wird, ist von den traditionellen Parteien behindert worden, die den Kongress und das oberste Wahlgremium (TSE) dominieren — aus Furcht, dass sie ihre Macht beschneiden wird.


Das TSE ließ sich bewusst Zeit, die Rechtmäßigkeit eines für den 18.März geplanten Referendums über die Konstituierende Versammlung zu erklären, bis die Entscheidung an den Kongress weitergegeben wurde, nachdem Hunderte für die konstituierende Versammlung Protestierende am 23.Januar in den Gerichtssaal eingebrochen waren. Der Kongress, ebenfalls Correa feindlich gesinnt, hat seither das Gesetz hinausgezögert — die Parteien debattieren die genauen Befugnisse, die die Versammlung haben wird und versuchen es zu verwässern, um weiter ihre Kontrolle zu behalten. 


Am 30.Januar stürmten Tausende den Kongress und verlangten die Verabschiedung des Gesetzes mit den Sprechchören "Tod den Ratten!" und "Nieder mit dem Kongress, ja zur Versammlung". Die Behörden evakuierten das Gebäude und zerstreuten die Protestierenden mit Tränengas. Diese waren auch darüber aufgebracht, dass die Mitglieder des Kongresses, von vielen Ecuadorianern als korrupt angesehen, ebenso gerade dafür votiert hatten, ihre Gehälter zu erhöhen.

Am 6.Februar blockierte der Kongress eine Abstimmung über die Versammlung. Die Patriotische Gesellschaftspartei des ehemaligen Präsidenten Lucio Gutiérrez, der durch einen Volksaufstand im Jahr 2005 seine Macht verloren hatte, hatte in der Vergangenheit versprochen, das Gesetz zu unterstützen, weigerte sich jedoch dafür zu stimmen. Die PSP ist die zweitgrößte Partei im Kongress mit 24 von 100 Sitzen und bildet den Machtausgleich. Es wird weithin vermutet, dass die Unterstützung der PSP für das Gesetz vom Erlangen von Schlüsselpositionen in der Versammlung und der Regierung abhängig ist.


Correa, der Gutiérrez als "Viper" bezeichnete, drohte, dass der Kongress, falls er weiter das Gesetz hinauszögert oder nicht verabschiedet, umgangen wird. Vizepräsident Lenin Moreno schlug die Einberufung eines "ad hoc" Komitees vor, um die Parameter für die Konstituierende Versammlung zu bestimmen. Correa drohte auch mit weiteren Massendemonstrationen um den Kongress zu zwingen, das Gesetz zu verabschieden und sagte: "Der Kampf findet hier zwischen dem Kongress und 13 Millionen Ecuadorianern statt."


Die sozialen Bewegungen sind ähnlich frustriert. Humberto Cholango von der Indígena-Organisation ECUARUNARI, drohte mit der Organisation eines Aufbegehrens der Indigenen um die Angelegenheit voranzutreiben. Ähnliche Proteste führten zur Entmachtung von drei Präsidenten in den letzten zehn Jahren. ECUARUNARI, die größte Indigenenföderation CONAIE und Dutzende anderer sozialer Bewegungen und Organisationen haben sich in der Nationalen Front für die Plurinationale Konstituierende Versammlung vereint. Ein großer Protestmarsch nach Quito ist für den 13. März geplant, um den Kongress zur Einhaltung des Volksmandats zu drängen.


Aus: Green Left Weekly (Sydney), Nr.698, 14.2.2007 (Übersetzung: Hans-Günter Mull)

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